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Rechtsblinken mit System

Warum Landrat Udo Witschas (CDU) zurücktreten sollte



Dirk Neubauer
Von Dirk Neubauer

Landrat Udo Witschas (CDU) fischt gern am rechten Rand. Sagt man und verharmlost dies innerhalb seiner CDU sehr gerne. Er sei eben so. Doch ist das wirklich so harmlos, wie es dargestellt wird? Die Fülle der Ereignisse legt inzwischen nahe, dass die politischen Entscheidungen und die Rhetorik des Christdemokraten und der Seinen im Landkreis Bautzen mehr Überzeugung, als Taktik ist. Mit Fremdenfeindlichkeit und grenzwertigen Aussagen zum Extremismus steht Witschas inzwischen für eine mögliche Annäherung an die Alternative für Deutschland (AfD). Die Analyse stützt sich auf öffentliche Äußerungen und Beschlüsse des Kreistages, die eine signifikante Erosion der Abgrenzungspolitik der CDU auf kommunaler Ebene belegen. Eigentlich ausreichend Gründe, nicht nur seinen Parteiausschluss, sondern auch seinen Rücktritt zu fordern.


Die Liste der Hinweise, die eine Nähe zur AfD manifestieren, bezieht sich sowohl auf eine institutionelle, als auch auf die rhetorische Ebene. Und an Hand der Fakten und Daten kann man inzwischen von einer  institutionalisierten Kooperation zwischen CDU und AfD im Kreistag Bautzen sprechen. Anhaltspunkte gibt es genug. Insbesondere  die gemeinsame Verabschiedung von AfD-Anträgen, die der offiziellen Beschlusslage der Bundes-CDU fundamental widersprechen. Die prominentesten Beispiele hierfür sind der Beschluss zur Streichung von Integrationsleistungen für Geduldete im Dezember 2022 sowie die Abschaffung der Stelle des Ausländerbeauftragten im August 2024. Parallel dazu ist eine rhetorische Annäherung feststellbar. Witschas übernimmt dabei zentrale Narrative der AfD, wie die Kritik an einer vermeintlichen „Bevormundung“ der Bevölkerung durch „politische Korrektheit“, die Thematisierung von „kriminellen Migranten“ zur Erklärung des AfD-Aufstiegs und die aktive Legitimation der Wahlerfolge rechtspopulistischer Kandidaten. Diese Haltung zielt darauf ab, die auf lokalpatriotische Ängste und Ablehnung von Migration gerichteten Sorgen im Wählersegment des Landkreises Bautzen zu bedienen.


 Wichtigste Feststellungen zur Fremdenfeindlichkeit


Die Analyse der Kommunikation, insbesondere der als „Weihnachtsbotschaft“ bekannt gewordenen Videoansprache von Dezember 2022, liefert klare Indikatoren für kulturelle Ausgrenzung und die aktive Stigmatisierung von Zuwanderern als Fremdgruppe. Witschas stellte Asylsuchende, die "unsere Kultur nicht kennen," als unmittelbare "Gefährdung des sozialen Friedens" dar. Diese kausale Verknüpfung von kultureller Differenz und sozialer Destabilisierung ist ein zentrales Element ausgrenzender, rechtspopulistischer Rhetorik. Darüber hinaus nährte der Landrat in regionalen Medien das Narrativ der "kriminellen Migranten" zur Erklärung von politischen Trends , was als bewusste Schürung von Ressentiments und als Indikator für Fremdenfeindlichkeit in der politischen Kommunikation gewertet werden muss. Seine Partei strafte ihn damals nicht ab. Im Gegenteil. Beim darauffolgenden Neujahrsempfang des sächsischen Landtages stellte man Witschas demonstrativ in die erste Reihe. Gleich neben dem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und dem Landtagspräsidenten. Ein deutliches Zeichen. Finger weg. Er ist einer von uns.


Die politische Topographie des Landkreises Bautzen


Die politischen Handlungen von Landrat Witschas müssen im Kontext der spezifischen soziopolitischen Gegebenheiten des Landkreises Bautzen betrachtet werden. Dieser Kontext ist durch eine hohe Polarisierung und ein starkes Wählerpotenzial für rechtspopulistische und rechtsextreme Akteure gekennzeichnet.


Politische Herkunft und Wahlergebnisse (2022)


Witschas wurde 2022 zum Landrat des Landkreises Bautzen gewählt. Er kandidierte zur Landratswahl am 12. Juni 2022 und erreichte im ersten Wahlgang mit 38,4 Prozent der Stimmen die relative Mehrheit. Im zweiten Wahlgang am 3. Juli 2022 wurde er mit 43,5 Prozent der Stimmen zum Landrat gewählt.

Die Wahl verdeutlichte, wie stark die AfD in der Region bereits ist. Der AfD-Kandidat Frank Peschel, der als Mitglied des Sächsischen Landtags bekannt ist, erreichte im zweiten Wahlgang 27 Prozent der Stimmen. Diese Ergebnisse zeigen, dass Witschas sein Mandat lediglich mit einer relativen Mehrheit erlangte, während das Wählerreservoir für das rechtspopulistische Lager im Landkreis Bautzen extrem stark und kohärent ist. Die politische Notwendigkeit, eine weitere Abwanderung von konservativen und unzufriedenen Wählern zur AfD zu verhindern, wurde so von Beginn ab als zentrale Legitimationsgrundlage für Witschas’ rhetorische und politische Übernahme der Themen und die Sprache des rechten Spektrums gesehen. Seine Politik erschien somit als eine strategische Reaktion auf die lokale Wählerstruktur, die darauf abzielt, die AfD durch die Erfüllung ihrer Kernforderungen zu marginalisieren oder zumindest zu stabilisieren. Doch die Regelmäßigkeit der Entgleisungen, die häufig extremistische Wortwahl wie unlängst die Nutzung des Begriffes der „Endlösung“ in einer Kreistagsdebatte oder auch bei der Weihnachtsansprache 2022, lassen auch andere Schlüsse zu. Witschas steht für das, was er sagt. Zudem zeigte er sich vor kurzem mit Karsten Hilse, Bundestagsabgeordneter der AfD aus Hoyerswerda. Ein bekannter Klimaleugner, Impfgegner und verurteilt wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Hilse will den „Dexit“, also den Austritt der Bundesrepublik aus der EU und steht fest im Putinlager. Beide zeigte sich gemeinsam und vertraut auf einer Oldtimerausfahrt.  


Das soziopolitische Spannungsfeld in Bautzen/Sachsen


Witschas passt damit in die politische Landkarte der Region. Der Landkreis Bautzen gilt nicht erst seit den jüngsten Debatten als ein soziopolitisches Spannungsfeld. Bautzen wird in Studien historisch als ein Zentrum rechter Mobilisierung und Gewalt in Sachsen eingeordnet. Diese historische Volatilität und die Präsenz rechter Strukturen bilden den Hintergrund für die aktuellen Debatten um Migration und Integration.

Die öffentliche Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Bautzen fand in einer bereits stark erhitzten Stimmung statt, die von Protesten und tatsächlicher Hassgewalt begleitet wurde. Ein beunruhigendes Beispiel hierfür ist der Brandanschlag, der Ende 2022 auf die geplante Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen „Spreehotel“ verübt wurde, bei dem Unbekannte Fensterscheiben einwarfen und im Inneren einen schweren Brand auslösten.

Obwohl Landrat Witschas diesen Anschlag aufs Schärfste verurteilte und die Gefährdung von Menschenleben betonte, erfolgte seine eigene, später stark kritisierte Rhetorik in einem Kontext, in dem verbale Ausgrenzung unmittelbar mit physischer Gewalt in Verbindung stand. Die Verknüpfung von lokaler Politik und der extremen Stimmung im Milieu ist evident: Wenn Witschas kurz darauf eine Sprache wählt, die Flüchtlinge als Gefahr für den "sozialen Frieden" darstellt , legitimiert er de facto die Ängste, die das rechtsextreme Milieu in der Region instrumentalisiert und die zur Eskalation bis hin zu Gewalttaten führen können.


Institutionalisierte Nähe: Die Kooperation von CDU und AfD im Kreistag


Die tiefgreifendsten Hinweise auf die Nähe des Landrats Witschas und der CDU-Kreistagsfraktion zur AfD sind in der institutionalisierten Zusammenarbeit bei zentralen politischen Entscheidungen zu finden. Diese Aktionen stellen eine klare Abkehr von der sogenannten „Brandmauer“ der CDU dar.


Der "Dammbruch" bei den Integrationsleitlinien (Dezember 2022)


Im Dezember 2022 kam es im Kreistag Bautzen zu einem Ereignis, das von Beobachtern als „Dammbruch“ und „desaströse Entscheidung“ bewertet wurde. CDU und AfD stimmten gemeinsam für einen Antrag der AfD-Fraktion, der eine Neufassung der Integrationsleitlinien des Landkreises vorsah. Berichten zufolge stimmte fast die gesamte CDU-Kreistagsfraktion für diesen AfD-Antrag. Der Kern des Beschlusses bestand darin, Menschen mit dem Status „geduldet“ oder Ausreisepflichtigen Integrationsleistungen, wie Deutsch- oder Integrationskurse, zu entziehen. Diese Maßnahme steht im klaren Widerspruch zu den Bemühungen auf Bundesebene, Bleibeperspektiven zu schaffen. Die Entscheidung stellt nicht nur einen Verstoß gegen die Beschlusslage der Bundespartei CDU dar , sondern missachtete auch interne Warnungen. Die Verwaltung des Landkreises hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine solche Entscheidung dem Kreistag überhaupt nicht zustehe, da die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Pflichtaufgabe des Kreises sei.


Landrat Witschas selbst unterstützte diese Haltung und stellte in der Kreistagsdebatte klar, dass geduldete Menschen keine Bleibeperspektive hätten und deshalb nicht gefördert werden sollten. Das bewusste Ignorieren administrativer und juristischer Bedenken zugunsten eines populistischen Signals an die Wählerschaft verdeutlicht, dass die lokale CDU in Bautzen politische Symbolik und Wähleransprache über die strikte Einhaltung der administrativen und juristischen Vorgaben stellt. Dies untergräbt die Funktion des Landratsamtes als neutrale Verwaltungsbehörde und politisiert Pflichtaufgaben. Der Landrat und die Räte wissen dabei genau, was sie tun und das dies eigentlich weit außerhalb ihrer Zuständigkeit liegt. Ähnliches geschah im übrigen im Mittelsächsischen Kreistag. Hier votierte die CDU auf Antrag der AfD in namentlicher Abstimmung (gemeinsam mit den Freien Wählern) gegen die Aufstockung der Finanzierung der Unterbringung Geflüchteter.


Der reine Haushaltsbeschluss wurde hier missbraucht, um „ein Signal an die Bundesregierung“ zu senden, dass es so nicht weitergehen könne. Federführend auch der heutige Landrat Mittelsachsens, der sich damals für die Freien Wähler einsetzte, sich dem anzuschließen. Der Autor, damals verantwortlicher Landrat, hatte zuvor versucht, die Fraktionen davon abzubringen, diesen widerrechtlichen Akt zu vollziehen und stattdessen eine gemeinsame Erklärung abzugeben. Ohne Erfolg. So hob er schließlich den widerrechtlich zustande gekommenen Beschluss später auf. Ein Fest für die Rechtsradikalen im Kreis, die dies wiederum als undemokratischen Akt feierten.


Weitere Strukturelle Annäherungen: Die De-Priorisierung von Integration


Was in Mittelsachsen bis dato noch ein Einzelfall war, ist in Bautzen eher Normalität. Denn die institutionelle Annäherung beschränkte sich nicht nur auf die Integrationsleitlinien. Im August 2024 wurde bekannt, dass der Kreistag Bautzen die Stelle des Ausländerbeauftragten auf Antrag der AfD abgeschafft hatte. Die Landesdirektion Sachsen prüfte die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses und bestätigte, dass kein maßgeblicher Verstoß gegen die Sächsische Landkreisordnung vorlag, da die Bestellung eines hauptamtlichen Beauftragten für Integration und Teilhabe lediglich eine sogenannte „Soll-Vorschrift“ (im Gegensatz zu einer zwingenden Pflicht) darstellt. Politisch gesehen sendet die Abschaffung dieser zentralen Integrationsstelle, initiiert von der AfD und mehrheitlich unterstützt, jedoch ein deutliches Signal: Der Landkreis Bautzen betrachtet die institutionelle Förderung von Integration als nachrangig. Diese Entscheidung bestätigt den Trend der strukturellen Annäherung und die Normalisierung der Kooperation in zentralen Politikbereichen, womit die politische Agenda der AfD in der Verwaltung de facto umgesetzt wird. Der ursprüngliche „Dammbruch“ wird damit zu einem etablierten Muster der lokalen Governance.


Chronologie der Kooperation und Konsequenzen


Die nachfolgende Tabelle fasst die signifikanten, strukturellen Kooperationen zusammen, die die politische Ausrichtung des Landrats und der CDU-Kreistagsfraktion belegen.

Table 1: Chronologie der AfD-CDU-Kooperation und Kontroversen (Auszug)




Dez. 2022


Kreistagsbeschluss

Streichung von Integrationsleistungen für Geduldete (AfD-Antrag).

Institutionelle Kooperation: CDU stimmt AfD-Antrag zu, Missachtung der Verwaltungswarnungen.


Dez. 2022


Weihnachtsbotschaft

Ablehnung dezentraler Flüchtlingsunterkünfte und kulturelle Ausgrenzung.

Rhetorische Annäherung: Verwendung von AfD-Narrativen der Bedrohung des sozialen Friedens.


Aug. 2024


Abschaffung Beauftragter

Kreistag schafft Ausländerbeauftragten ab (AfD-Antrag).

Institutionelle Kooperation: CDU-Mehrheit beseitigt zentrale Integrationsstelle.



Trotz dieser offenkundigen Kooperationen, die im Widerspruch zur Bundesparteibeschlusslage stehen, gab es in der Folge keine Berichte über Parteiausschlussverfahren oder andere Sanktionen gegen Landrat Witschas oder die beteiligten CDU-Kreistagsmitglieder. Die fehlende Sanktionierung durch die sächsische CDU zeigt, dass diese Art der Zusammenarbeit in der regionalen politischen Praxis als tolerabel oder gar notwendig erachtet wird. Die formale Brandmauer-Rhetorik auf Bundesebene besitzt somit in Kommunen wie Bautzen keine operative Relevanz. Wie auch für den Rest von Sachsen.


Indikatoren für Fremdenfeindlichkeit: Analyse der Rhetorik und des Framings


Die Rhetorik von Landrat Witschas in Bezug auf Migrationsfragen liefert deutliche Hinweise auf eine Übernahme von Argumentationsmustern, die Zuwanderer als kulturell inkompatible Bedrohung framen, was als Indikator für Fremdenfeindlichkeit in der politischen Kommunikation gewertet wird.


Feinanalyse der "Weihnachtsbotschaft" (Dezember 2022)



Die Einordnung seiner Weihnachtsansprache durch WELT TV

Die kontroverse Videobotschaft, die Witschas im Dezember 2022 auf Facebook teilte, war der primäre Auslöser für die Debatte um die Nähe zur AfD. In der Botschaft lehnte der Landrat die Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen und in dezentralen Unterkünften ab.

Zur Begründung seiner Haltung instrumentalisierte Witschas die Sorgen lokaler Bevölkerungsgruppen. Er betonte, es sei nicht die Absicht des Landkreises, "den Sport, ob nun den Schul- oder Freizeitsport, jetzt für diese Asylpolitik bluten zu lassen". Dieses Framing konstruiert eine künstliche und direkte Konkurrenz zwischen den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung (Sport, Freizeiteinrichtungen) und den gesetzlich vorgeschriebenen Unterbringungsverpflichtungen für Asylsuchende, ein klassisches populistisches Dichotomie-Manöver.


Der zentrale und am schärfsten kritisierte Passus enthielt jedoch klare Indikatoren für kulturelle Ausgrenzung und die Etablierung eines Bedrohungsnarrativs. Witschas erklärte, das Landratsamt wolle keine "Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und frei stehenden Wohnungen unterbringen und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen". Diese Formulierung stellt die Zuwanderer nicht als Schutzsuchende, sondern primär als eine Gruppe dar, die aufgrund ihres Mangels an kultureller Kenntnis und Regelakzeptanz eine unmittelbare und inherente Gefahr für die soziale Stabilität ("Gefährdung des sozialen Friedens") darstellt. Diese kulturelle Essentialisierung und die Begründung der Ausgrenzung durch eine unterstellte Gefährlichkeit ist nahezu identisch mit der rechtspopulistischen Rhetorik der AfD.


Legitimation des Rechtspopulismus und des Kriminalitätsnarrativs


Witschas bediente das rechtspopulistische Framing auch über die Weihnachtsbotschaft hinaus. Er nährte in der Sächsischen Zeitung das Bild des „kriminellen Migranten“, indem er bundesweite Ereignisse zitierte und behauptete, die mangelnde Reaktion der Bundesregierung und die „politische Korrektheit“ seien die eigentliche Ursache für die hohen Umfragewerte der AfD. Durch die direkte Koppelung von Migration, Kriminalität und dem Aufstieg der AfD legitimiert der Landrat nicht nur die Sorgen der AfD-Wähler, sondern übernimmt aktiv deren Kausalitätsketten und positioniert sich als lokale Instanz gegen eine vermeintliche „Elitenmeinung“. Diese Selbstpositionierung als Verteidiger der lokalen, "unbequemen" Meinung gegen "Bevormundung" wurde in einem Interview weiter ausgeführt. Witschas betonte, dass Wahlerfolge der AfD (wie die Wahl von Landräten und Bürgermeistern) als „freiheitlich demokratische Wahlen“ zu akzeptieren seien. Er forderte, dass alle „anders redenden“ darüber nachdenken sollten, warum die Menschen so gewählt haben. Er warnte davor, den Menschen „Mundschutz zu machen“, da dies der Hauptantriebsgrund der Wende 1989 gewesen sei. Diese Rhetorik etabliert Witschas als ideologische Brücke zur AfD-Wählerschaft. Er stilisiert sich zum lokalen Bollwerk-Anführer, der die Frustration der Wähler über die Bundespolitik ("Asylpolitik") auf kommunaler Ebene kanalisiert und so die örtliche Verwaltung zur aktiven Partei in der nationalen Auseinandersetzung macht.


Politische Konsequenzen und die Erosion der Brandmauer


Die institutionalisierte und rhetorische Nähe von Landrat Witschas zur AfD löste zwar eine überregionale Debatte aus, führte jedoch zu unterschiedlichen Reaktionen innerhalb der CDU, die das Ausmaß der Erosion der Brandmauer in Sachsen verdeutlichen.

Auf Bundesebene reagierte die CDU mit einer scharfen, aber begrenzten Distanzierung. CDU-Generalsekretär Mario Czaja erklärte im Namen des gesamten Bundesvorstandes (einschließlich Parteichef Friedrich Merz), man distanziere sich „mit Nachdruck von der Wortwahl“ Witschas'. Diese Distanzierung fokussierte explizit auf die Wortwahl, nicht jedoch auf die inhaltliche Ausrichtung, wie die Ablehnung der dezentralen Unterbringung oder die faktische, institutionelle Kooperation mit der AfD im Kreistag (etwa bei den Integrationsleitlinien). Die Reaktion der Bundespartei wird daher als Versuch interpretiert, die Brandmauer rhetorisch zu wahren, ohne konkrete politische Konsequenzen zu ziehen, die die lokale Machtstruktur in Bautzen gefährden könnten. Im Gegensatz dazu stellte sich die sächsische CDU-Führung schützend vor Witschas. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) relativierte die Aussagen des Landrats und sprach von einer „verkürzten Darstellung“ und einem aus dem Zusammenhang gerissenen Kontext. Die Verteidigung Witschas' durch Kretschmer spiegelt die irrige Annahme wider, es sei eine politische Notwendigkeit, loyale Akteure in AfD-Hochburgen zu schützen, selbst wenn dies die Glaubwürdigkeit der Brandmauer auf nationaler Ebene schwächt. Ein grandioser Fehler, der sich seit Jahren durch die konservative Politik in Sachsen zieht und der das Wachstum der AfD nahezu ungebremst beflügelt.


Denn: Längst ist wissenschaftlich belegt, dass die Übernahme radikaler Ziele zwar im Moment Beifall bedeutet, am Ende aber das Original stärkt. Das kann man in Sachsen beobachten. Auch im Kreistag in Mittelsachsen kam es bereits zu ähnliche Verbrüderungen. Hier stimmte die CDU auf Antrag der AfD in namentlicher Abstimmung gegen die notwendige Aufstockung der Flüchtlingsmittel. Man forderte das Ende der Aufnahme, was eindeutig und für jeden einzelnen der Beteiligten klar erkennbar widerrechtlich war. Ein bewusster Eklat also, der sich auch nicht durch die Interventionen des Autoren, der zu diesem Zeitpunkt Landrat war, nicht abwendbar war. Der hatte vorgeschlagen, stattdessen eine gemeinsame Erklärung der Fraktionen abzugeben. Mitgestimmt haben hier auch große Teile der Freien Wähler und ein SPD-Bürgermeister, der kürzlich mit Rekordergebnis wiedergewählt wurde. Auch eine Zustandsbeschreibung der politischen Stimmung hier.


Die Normalisierung der Grenzüberschreitung


Inzwischen sind in Bautzen wohl alle Dämme gebrochen. Bei einer Oldtimerausfahrt kürzlich kam es zu vertrauten Bildern zwischen Witschas und dem AfD-Bundestagsabgeordneten Hilse. Bei tuckerten gemeinsam durch die Gegend un ließen sich gern ablichten. Hilse ist CoronaLeugner, stimmte gegen die Ablehnung der Wiederinnebtriebnahmevon

Nordstream II und gehört auch sonst gern zur eher radikaleren blauen Truppe. Das öffentliche Miteinander ist ein untrügliches Zeichen, wo der Landrat sich inzwischen verortet. Die sächsichen CDU schweigt. Oder sieht weg. Oder unterstützt es sogar.

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Die Duldung dieser politischen Strategie hat weitreichende Implikationen. Wie Eric Linhart, Professor für politisches System an der TU Chemnitz, feststellte, gab es nach der Aufdeckung der Kooperationen und der umstrittenen Rhetorik keine relevanten Konsequenzen; es wurden keine Parteiausschlussverfahren angestrengt. Linhart diagnostizierte, dass dieses Verhalten in Sachsen „schon etwas relativ normales“ sei. Dies legt den Schluss nahe, dass die Brandmauer auf Bundesebene primär als mediale Schutzbehauptung fungiert. Auf lokaler und regionaler Ebene wird die inhaltliche und institutionelle Kooperation mit der AfD de facto geduldet, solange sie zur Stabilisierung der CDU-Macht beiträgt. Die Kombination aus scharfer Bundeskritik und lokaler Duldung führt zu einem signifikanten Glaubwürdigkeitsproblem für die nationale Parteiführung und ihre Abgrenzungspolitik. Die Handlungen und die Rhetorik von Landrat Witschas dienen somit als strategisches Ventil für die sächsische CDU. Er kanalisiert die rechte Unzufriedenheit und adoptiert AfD-Positionen, wodurch die CDU einen Teil dieser Wählerschaft im konservativen Lager hält und gleichzeitig die AfD in der Opposition teilweise delegitimiert. Witschas’ Position in Bautzen ist somit ein prägnanter Testfall dafür, wie weit die CDU in Ostdeutschland bereit ist, ideologische Grenzen zu verschieben, um Wahlerfolge zu erzielen.



Schlussfolgerungen und Ausblick


Die Analyse der politischen Aktivitäten und der Kommunikation von Udo Witschas im Landkreis Bautzen belegt eindeutige Hinweise auf die Nähe zur AfD sowie die Verwendung fremdenfeindlicher Narrative.

Synthese der Hinweise auf Nähe zur AfD

Die Nähe zur AfD manifestiert sich als tiefgreifende, zweidimensionale Strategie:


  1. Institutionelle Konvergenz: Die CDU-Kreistagsfraktion unter Landrat Witschas hat mehrfach AfD-Anträge unterstützt, die unmittelbar migrationspolitische Einschränkungen zur Folge hatten (z. B. Streichung von Integrationsleistungen, Abschaffung des Ausländerbeauftragten). Dies stellt eine Implementierung der AfD-Agenda durch die CDU dar und bestätigt die These eines strukturellen Dammbruchs auf kommunaler Ebene.


  2. Rhetorische und ideologische Angleichung: Witschas legitimiert die Wahlerfolge der AfD als demokratische Reaktion auf „Bevormundung“ und nutzt Narrative, die Zuwanderer als Bedrohung des „sozialen Friedens“ darstellen. Er kopiert das populistische Framing der AfD, anstatt sich von dessen Inhalt zu distanzieren.


Bewertung der Fremdenfeindlichkeit in der politischen Kommunikation


Udo Witschas' Kommunikation geht über eine neutrale Organisationskritik hinaus und muss als Indikator für Fremdenfeindlichkeit gewertet werden. Die Darstellung von Zuwanderern als kulturelle und soziale Bedrohung – "die unsere Kultur nicht kennen" gefährden den "sozialen Frieden" – erfüllt die Kriterien für eine kulturell begründete Ausgrenzung. Die aktive Nährung des Narrativs der "kriminellen Migranten" dient der Verstärkung von Ressentiments und der Legitimierung restriktiver, ausgrenzender Politik.


Langfristige Implikationen für die Brandmauer


Der Fall Witschas in Bautzen ist ein prägnantes Beispiel für das Scheitern der innerparteilichen Durchsetzung der Brandmauer in sächsischen Kommunen. Die lokale politische Realität, in der die Kooperation mit der AfD als notwendig und tolerierbar angesehen wird, unterläuft die nationalen Parteistrategien. Die fehlenden Sanktionen gegen Witschas und seine Fraktion signalisieren, dass die sächsische CDU bereit ist, ideologische Zugeständnisse an den Rechtspopulismus zu machen, um die politische Stabilität und Wahlergebnisse im Freistaat zu sichern. Dies führt zu einer langfristigen ideologischen Verwässerung der CDU und delegitimiert die Abgrenzungspolitik gegenüber dem Rechtsextremismus im gesamten Bundesgebiet.



Quellenangaben



1. CDU und AfD in Sachsen: Wo verläuft die Brandmauer? | taz.de, https://taz.de/CDU-und-AfD-in-Sachsen/!5952738/


2. Medieninformationen 2025 | Landesdirektion Sachsen entscheidet: Kreistagsbeschluss aus Bautzen zur Abschaffung des Ausländerbeauftragten ist rechtmäßig, https://www.lds.sachsen.de/?ID=22798&art_param=1102

 

3. Interview mit Landrat Udo Witschas zu aktuellen Themen im Landkreis Bautzen - YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=5mk710cxQgM


4. Landrat von Bautzen schürt Feindbild “Geflüchtete” – Unsere Stellungnahme - Sächsischer Flüchtlingsrat, https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/2023/08/22/landrat-von-bautzen-schuert-feindbild-gefluechtete-unsere-stellungnahme/



6. Umstrittener Bautzener Landrat Witschas: Maue Distanzierung der Bundes-CDU | taz.de, https://taz.de/Umstrittener-Bautzener-Landrat-Witschas/!5904349/


7. BAUTZEN: Refugees! Controversial Christmas message from CDU district administrator Udo Witschas d... - YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=8ot2cjTa8nQ


8. Udo Witschas - Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Witschas



10. Frank Peschel - Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Peschel


11. Bautzner Verhältnisse Eine Untersuchung rechter Hegemonie am Beispiel einer sächsischen Kleinstadt - Qucosa - TU Dresden, https://tud.qucosa.de/api/qucosa%3A92693/attachment/ATT-0/?L=1



 13. AfD bewegt CDU im Kreistag Bautzen - AfD Sachsen, https://afdsachsen.de/afd-bewegt-cdu-im-kreistag-bautzen/


14. AFD /CDU „Ausreisepflichtige Flüchtlinge sollen im Landkreis Bautzen keine Leistungen mehr beziehen“ - Netzwerk Tolerantes Sachsen, https://www.tolerantes-sachsen.de/afd-cdu-ausreisepflichtige-fluechtlinge-sollen-im-landkreis-bautzen-keine-leistungen-mehr-beziehen/


15. PM zum Beschluss des Kreistages Bautzen vom 12.12.2022 „Ausreisepflichtige Flüchtlinge sollen im Landkreis Bautzen keine Leistungen mehr beziehen”, https://www.buendnisgegenrassismus.de/2022/12/21/pm-zum-beschluss-des-kreistages-bautzen-vom-12-12-2022-ausreisepflichtige-fluchtlinge-sollen-im-landkreis-bautzen-keine-leistungen-mehr-beziehen/


16. Weihnachtsbotschaft aus Bautzen: Debatte über die Nähe der CDU und AfD · Dlf Nova, https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/weihnachtsbotschaft-aus-bautzen-debatte-ueber-die-naehe-der-cdu-und-afd


17. Rassismus zum Fest: Weihnachtsrede mit Ressentiments | taz.de, https://taz.de/Rassismus-zum-Fest/!5901032/


 
 
 

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